Leporello’s Erben – Faltbücher in Literatur und bildender Kunst
15. und 16. Januar 2016, Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität Bochum
Die Digitalisierung der Buchkultur, des Buchmarkts und letztlich auch des Literaturbetriebs, hat nicht nur Fragen und Probleme hinsichtlich der Entmaterialisierung von Wissenskulturen im Allgemeinen und von literarischen Werken im Speziellen aufgeworfen, sondern – zur Freude vieler Buchliebhaber – auch ein neues Bewusst sein für hinsichtlich ihrer Gestaltung ungewöhnliche und aufwändig gemachte Bücher entstehen lassen. Ein in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswertes Phänomen ist das Leporello. Hinsichtlich seiner materiellen Anlage markiert es eine hybride Form zwischen der Buchrolle und dem Kodex, dem Buch mit Seiten. Ein Leporello lässt sich sowohl entfalten als auch sequentiell betrachten – was gerade hinsichtlich der künstlerischen und literarischen Möglichkeiten, Inhalte darzulegen, zu erzählen oder zu kommunizieren, eine spezifische Disposition darstellt.
Die deutschsprachige Bezeichnung "Leporello", von dem gleichnamigen Protagonisten aus Mozarts Oper "Don Giovanni" (1787) inspiriert, ist vergleichsweise jung. Als historische Buchform entsteht diese materielle Form des Buches hingegen aus historisch weit zurückreichenden und heterogenen Traditionslinien, die auch in anderen Kulturen zu finden sind: Mit der Eroberung Südamerikas wurden in Europa die alten Maja – Kodices bekannt, von denen viele gefaltete Leporellos avant la lettre waren; wie auch im asiatischen Kulturraum horizontale Faltbilder eine lange Tradition aufweisen.
Eine wichtige Renaissance erlebten Leporellos im 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Künstlerbuches als Werkform der bildenden Kunst. Mit Sonia Delaunays und Blaise Cendrars'"La Prose du Transsibérien et de la petite Jehanne de France" (1913) und Ed Ruschas legendärem "Every Building on the Sunset Strip" (1966), die zu den Inkunablen des Künstlerbuchs gehören, seien nur die beiden bekanntesten in Erinnerung gerufen.
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